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Kindheit im Dorf

Elia und Massimo Sanfino haben ihr ganzes bisheriges Leben in Burgholzhausen verbracht. Und es gefällt ihnen. Daran lassen die elf- und neunjährigen Brüder keinen Zweifel. Beim zweiten Holzhäuser Erzählcafé im Alten Rathaus berichteten sie davon, wie sie nach Schule und Hausaufgaben ihre freie Zeit verbringen.

Am Wochenende sind sie oft mit Freunden draußen am Erlenbach oder im Wald, spielen verstecken oder bauen kleine Höhlen und Hütten. "Wir benutzen den ganzen Wald", stellt Elia fest. Meist bleiben sie bis zum Abend draußen oder bis "wir Hunger haben".

Das Leben im Dorf ist für die beiden ohne Alternative. "Ich will hier nicht weg", sagt Elia. Zwar hat er keinen Vergleich, "ich habe noch nie in der Großstadt gelebt. Aber hier ist es einfach gemütlicher und kuscheliger."

Marius Krause (26) hat ähnliche Erlebnisse. Er ist am Wetenplatz groß geworden. Da die Straßen früher noch nicht so vollgeparkt waren, verbrachte er die Zeit in Gärten, auf der Straße oder am Erlenbach. Meist endeten die Tage der Kinder gemeinsam vor dem Fernseher bei der Sesamstraße. Bei schönem Wetter manchmal sogar auf der Straße. Dann wurde der Fernseher einfach rausgeräumt.

Ganz andere Erfahrungen macht Carlo (10), der seine Oma in Burgholzhausen besucht. "Ich komme aus Offenbach", berichtet er, "da sind wir nicht ganz so viel draußen." Denn es gibt viele große Kreuzungen und viele Autos. Die meiste Zeit verbringen wir drinnen. Außerdem wohnen die Freunde nicht unbedingt um die Ecke.

Kindheit nach dem Krieg

Christina Brüssow hatte nicht so viel Zeit zum Spielen. 1940 wurde sie eingeschult. Wie viele ihrer Freunde musste sie schon als Kind auf dem Feld und in der Bäckerei helfen. Außerdem hatte sie sich um ihren jüngeren Bruder zu kümmern. "Da wollten sie anderen mich nicht bei sich haben."

Ingrid Piecha ist 1943 in Burgholzhausen geboren. Auch in ihrer Kindheit spielte der Bach eine entscheidende Rolle. An der Bahnunterführung wurde das Wasser aufgestaut, damit die Kinder schwimmen konnten. Ingrid hat im Bach Schwimmen gelernt, ganz ohne Schwimmkurs oder Bademeister - "ein Schwimmbad gab es ja nicht".

Zum Alltag der Nachkriegskinder gehörte auch die Schulspeisung. Dazu mussten sie mit ihrem eigenen Henkelmann von der Alten Schule in die Hintergasse laufen. "Da bekamen aber nur die Kinder etwas, deren Eltern zu Hause keine eigenen Tiere hatten", erinnert sich Christina Brüssow.

Glück gehabt

Ganz spezielle Erinnerungen an seine Kindheit hat Friedhelm Plock, der als "Eingeplackter" im Kindesalter nach Burgholzhausen kam. Obwohl er zunächst von den einheimischen Kindern auch wegen seiner Strumpfhosen unter kurzen Hosen  die eine oder andere Tracht Prügel bezog, hat er es nie bereut, hier gelandet zu sein. Er beschlückwünschte alle Zugezogenen zur Ortwahl, denn "ich halte Burgholzhausen auch nach 60 Jahren noch immer für ungewöhnlich schön".

Die Kindheitserinnerungen der Erzähler mehrere Generationen drehten sich im weiteren Verlauf um die frühere Radrennbahn, um die Streiche der Lausbuben auf den Streuobstweisen rund ums Dorf oder die Geschichte des legendären Steinstoßens auf den Wehrwiesen. Stoff genug für eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe im Herbst. (kr)

Kirchengeschichten früher und heute

Viele junge und ältere Menschen waren im Oktober 2018 ins Alte Rathaus gekommen. Die einen wollten Geschichten erzählen, die anderen welche hören. Barbara Wolf-Krause von der katholischen und Thea Münch von der evangelischen Kirchengemeinde Burgholzhausen hatten die Idee und moderierten das erste Holzhäuser Erzählcafé.

Henri Schweizer, Elisabeth Meier und ihr Bruder Johannes erzählten von ihrer Erstkommunion heute: "Im Gottesdienst trugen wir alle das gleiche weiße Gewand. Darunter hatte ich ein schönes weißes Kleid für die Feier mit der Familie", verriet Elisabeth. Besonders gefiel allen die gemeinsame Fahrt mit allen Kindern. Und die Geschenke, wie zum Beispiel der Besuch in einem Freizeitpark.

Bei Reni Bischoff, die 1937 ihre Erstkommunion hatte, "mussten die Zöpfe ordentlich geflochten sein. Wir mussten im Pfarrhaus antreten. Es wurde genau geschaut, ob wir ordentlich angezogen sind." Der Gottesdienst habe anderthalb Stunden gedauert, "da hatte man dann auch Hunger und keine Lust mehr." Gefeiert wurde mit der Familie, mit Patentante und Patenonkel. Und Geschenke gab es auch früher – eine Tüte mit 200 Gramm Bonbons und eine Armbanduhr. "Bei meiner Firmung gab es kein Fest, sondern nur einen Gottesdienst."

Das ist heute anders. Theo Hoffmann und Julian Menn haben sich in einer Glaubenswoche in Kloster Ilbenstadt intensiv auf ihre Firmung vorbereitet. "Sehr gut fand ich, dass wir uns mit uns selbst auseinandergesetzt haben und erst dann damit, welche Bedeutung Religion für unser Leben haben kann", sagt Theo. Julian ergänzt: "Wichtige Themen waren Glück, Zufriedenheit und das eigene Gewissen."

Ein Jahr lang vorbereiten müssen sich auch heute die Konfirmanden. "Der Gottesdienst hat aber nicht so lange gedauert, weil wir am Abend vorher zum Abendmahl gegangen sind", erzählt Sören Isermann.

Für Christina Brüssow, Konfirmation 1948, wurde ein schwarzes Kleid der Oma umgenäht. "Und die weißen Hochzeitsschuhe meiner Mutter wurden schwarz gefärbt. Wir hatten einen strengen Pfarrer und mussten alle Lieder auswendig lernen. Obwohl es nach dem Krieg nicht viel gab, haben wir gefeiert. Zwar nicht mit Torte, aber es gab leckeren Hefekuchen. Und als Geschenk Handtücher für die Aussteuer."

Marianne Peilstöcker musste vor ihrer Konfirmation 1949 sogar die Kirche putzen. "So wurde sie einmal im Jahr richtig sauber. Und am Abend vor der Konfirmation sind wir zur Beichte gegangen. Wir trugen im Gottesdienst schwarze Kleider, die dafür genäht wurden. Nachmittags gingen wir von Haus zu Haus aller Konfirmanden. Und für die Jungs gab es das erste Bier."

Von ihrem Alltag erzählten Pfarrerin Gundula Guist und Pfarrer Rudolf Göttle. Interessant zu hören, wie lange die Vorbereitung auf einen Gottesdienst, eine Trauung oder auch eine Beerdigung dauert. Bei Muffins, Zimtschnecken und Kaffee kamen viele miteinander ins Gespräch.

Die Veranstaltung wird 2019 fortgesetzt – denn Holzhäuser Geschichten gibt es noch viele zu erzählen. (bwk)

 

Freuen sich auf Ihre Geschichte:

Barbara Wolf-Krause, Tel.: 0160 1503891

Thea Münch, Tel.: 0178 3465126

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